Deutscher Bundestag - Der 9. November – ein deutscher Gedenktag (2024)

Mit dem 9. November verbindet sich in Deutschland nicht nur das Gedenken an die Reichspogromnacht vor 82Jahren, sondern auch an die Ausrufung der ersten deutschen Republik vor 102 Jahren und vor allem an das Jahr 1989, als an diesem Tag die Mauer in Berlin fiel.

Scheidemann und Liebknecht rufen die Republik aus

9. November 1918: Als am 30. Oktober 1918 der Befehl der deutschen Seekriegsleitung bekannt wurde, trotz der schon besiegelten militärischen Niederlage des Deutschen Reiches erneut gegen die englische Flotte auszulaufen, weigerten sich die Matrosen der Hochseeflotte, an diesem militärisch fragwürdigen Unternehmen teilzunehmen. Die Meuterei der Marinesoldaten in Kiel und Wilhelmshaven markierte den Beginn einer Aufstandsbewegung, der sich rasch weitere Soldaten und Fabrikarbeiter anschlossen.

Am 9. November 1918 erreichte die revolutionäre Welle Berlin. Angesichts riesiger Demonstrationszüge verkündete Reichskanzler Prinz Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers, weil er hoffte, damit den politischen Umsturz noch aufhalten zu können. Max von Baden übertrug dem Vorsitzenden der Mehrheitssozialdemokratischen Partei Deutschlands (MSPD), Friedrich Ebert, das Amt des Reichskanzlers, der durch eine Regierungsumbildung verhindern wollte, dass die revolutionäre Bewegung sich weiter radikalisierte.

Noch am selben Tag rief Philipp Scheidemann (MSPD) von einem Fenster des Reichstagsgebäudes die „deutsche Republik“ aus. Wenige Stunden später proklamierte Karl Liebknecht (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)/Spartakusbund) von einem Balkon des Berliner Stadtschlosses die „freie sozialistische Republik“.

Arbeiter- und Soldatenräte

Ebenfalls am 9. November 1918 beschloss eine Berliner Soldatenversammlung, in den Berliner Betrieben und Garnisonen Arbeiter- und Soldatenräte zu wählen, die auf einer Vollversammlung am 10. November eine neue provisorische Regierung einsetzen sollten. Um den Machtambitionen der linksradikalen Kräfte zuvorzukommen, entschloss sich die Führung der MSPD, vorab gemeinsam mit der USPD eine Regierung zu bilden.

Am 10. November unterzeichneten beide Parteien eine Vereinbarung über die Bildung einer paritätisch zusammengesetzten Regierung, des „Rates der Volksbeauftragten“, die noch am selben Tag von der Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte als provisorische Reichsregierung bestätigt wurde. Der sechsköpfige Rat der Volksbeauftragten hatte mit Friedrich Ebert (MSPD) und Hugo Haase (USPD) zwei Vorsitzende.

Am 12. November verfügte der Rat der Volksbeauftragten unter anderem die Einführung des Wahlrechts für Frauen; am 30. November beschloss er Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung für den 19. Januar 1919.

Zunehmende Verfolgung der Juden

9. November 1938: Die Diskriminierung, Ausgrenzung und Ermordung der Juden waren von Anfang an Ziele des nationalsozialistischen Deutschlands. Von Beginn an wurden diese für jeden wahrnehmbar umgesetzt, so dass nicht zufällig bis Anfang 1938 bereits über 100.000 jüdische Deutsche ihr Heimatland verlassen hatten.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs am 12. März 1938 nahmen Umfang und Brutalität der Verfolgung zu. In München, Nürnberg und Dortmund wurden von Juni bis September 1938 die Synagogen gesprengt und abgebrochen - Ereignisse, die die Bevölkerung begeistert feierte.

Diese zunehmende Verfolgung der Juden kulminierte schließlich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, als in ganz Deutschland die meisten der noch bestehenden 400 Synagogen verwüstet und in Brand gesteckt, Friedhöfe geschändet und jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet wurden.

Verhaftet und verschleppt

Nach offiziellen Angaben kamen während des Pogroms rund 100 Menschen ums Leben, tatsächlich jedoch waren es wesentlich mehr, wenn man die zahlreichen Selbstmorde verzweifelter Menschen hinzuzählt. Rund 30.000 Juden, die nach ihrer Vermögenslage schon weit vorher „ausgesucht“ worden waren, wurden verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und erst entlassen, wenn sie Auswanderungspapiere vorlegen konnten.

Die Besitzer zerstörter Geschäfte mussten auf eigene Kosten „das Straßenbild wiederherstellen“. Ihre Versicherungssumme von insgesamt 225 Millionen Reichsmark wurde hierfür beschlagnahmt.

Beginn einer Phase der völligen Rechtlosigkeit

Außerdem wurde den Juden mit der Begründung, sie hätten den Ausbruch des „Volkszorns“ zu verantworten, eine Kollektivstrafe auferlegt, die sich schließlich auf 1,127 Milliarden Reichsmark belief. Mit dem Pogrom begann zugleich die Phase der völligen Rechtlosigkeit, wurden Juden durch Gesetze und Verordnungen vollends aus der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen.

Nur nach Umfang und Perfektion also war der Pogrom vom 9. November 1938 ein Novum –die Verbrechen dieser Nacht reihen sich ein in die Kette der Verfolgungsmaßnahmen, die schließlich in der Ermordung der Juden in Deutschland und Europa endeten.

Schabowskis Erklärung

9. November 1989: In einer Pressekonferenz des Sekretärs des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) für Informationswesen, Günter Schabowski, stellte der italienische Journalist Riccardo Ehrman eine Frage zur neuen Reiseregelung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).

Daraufhin verlas Schabowski eine Erklärung, in der es unter anderem hieß: „Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dabei noch die Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen.“ Und: „Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise zu West-Berlin erfolgen.“

„Sofort, unverzüglich“

Auf die Frage, ab wann das gilt, sagte Schabowski: „Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort, unverzüglich.“ Da die Pressekonferenz live im DDR-Fernsehen übertragen wurde, zogen Tausende Berliner zu den Grenzübergangsstellen und verlangten deren Öffnung.

Der Forderung kamen zuerst die Offiziere der Passkontrolleinheit und die Grenztruppen der DDR am Grenzübergang Bornholmer Straße nach. Die Folge war eine Kettenreaktion an allen Grenzübergängen in und um Berlin.

Nach Mitternacht wurden Übergänge auch an der innerdeutschen Grenze zur Bundesrepublik geöffnet. Die Mauer war nach 28 Jahren gefallen. Damit ging die mehr als 40 Jahre dauernde Teilung Deutschlands und die Spaltung des Kontinents zu Ende. (vom/02.11.2020)

Deutscher Bundestag - Der 9. November – ein deutscher Gedenktag (2024)

FAQs

Was feiern die Deutschen am 9. November? ›

November steht in der jüngeren deutschen Geschichte als Datum für zahlreiche Wendepunkte : An diesem Tag im Jahr 1918 dankte Kaiser Wilhelm II. ab, woraufhin in Berlin die erste deutsche Republik ausgerufen wurde. Am 9. November 1923 versuchte Adolf Hitler in München erfolglos, mit einem Putsch die Macht zu übernehmen.

Ist der 9 November ein offizieller Gedenktag? ›

In mahnender Erinnerung an die Novemberpogrome des NS-Regimes gegen die deutschen Juden im Jahr 1938 ist der 9. November in Deutschland auch ein Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus – zusätzlich zum offiziellen nationalen Holocaust-Gedenktag 27.

Was passierte am 09 November 1938 in Deutschland? ›

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten Synagogen und weitere jüdische Einrichtungen im gesamten Deutschen Reich. Menschen wurden getötet, gedemütigt, verhaftet, misshandelt und vergewaltigt, Geschäfte und Wohnungen demoliert und zerstört.

Wann ist der 9 November? ›

November – ein deutscher Gedenktag. Mit dem 9. November verbindet sich in Deutschland das Gedenken an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren, an die Ausrufung der ersten deutschen Republik vor 105 Jahren und an das Jahr 1989, als an diesem Tag die Mauer in Berlin fiel.

Was passierte am 9. November 1923 in Deutschland? ›

Am 9. November 1923 verkündeten zahlreiche Plakate trotzdem den Sieg der Bewegung über die Regierungen in Bayern und im Reich. Neun sozialistische Stadträte wurden als Geiseln genommen. Inzwischen rückten verstärkte Verbände von Reichswehr und bayrischer Landespolizei gegen das Wehrkreiskommando vor.

Was ist am 9.11 1918 passiert? ›

Deutscher Bundestag - 9. November 1918: Ende der Monarchie – die Republik wird ausgerufen.

Was geschah am 9. November 1988? ›

Philipp Lengsfeld weiß, am nächsten Tag schon, dem 9. November 1988, wird er in Großbritannien bei seiner Mutter Vera Wollenberger sein, die Anfang des Jahres am Rande einer Demonstration in Ost-Berlin verhaftet und abgeschoben worden war, weil sie Meinungsfreiheit eingefordert hatte.

Was ist am 9.11 1848 passiert? ›

Am 9. November des Jahres 1848 wurde der Demokrat und Vorkämpfer der sogenannten Märzrevolution Robert Blum (1807-1848) in Wien-Brigittenau von den Truppen der Gegenrevolution erschossen. Blums Tod bedeutete gleichzeitig das vorläufige Ende der revolutionären Erhebungen im damaligen Deutschen Bund.

Was ist am 09.11 1939 passiert? ›

Der 9. November ist der Tag, an dem organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte, Gotteshäuser und andere Einrichtungen in Brand setzten. Es ist der Tag, an dem Tausende Jüdinnen und Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden.

Warum darf man nicht mehr Reichskristallnacht sagen? ›

Warum darf man nicht mehr Reichskristallnacht sagen? Der Begriff "Reichskristallnacht" ist im Vergleich zum Begriff Reichspogromnacht verharmlosend. Anstatt auf die brutalen Angriffe auf die Juden aufmerksam zu machen, weist der Begriff lediglich auf zerbrochenes Glas hin.

Was war am 9.11 1933? ›

Mit einer Anordnung vom 4. November 1925 bestimmte Adolf Hitler, dass die NS-Ortsgruppen alljährlich am 9. November Gedenkfeiern abhalten sollten, um an die beim "Hitlerputsch" 1923 Getöteten zu erinnern.

Wie wird der 9. November 1938 genannt? ›

Die Novemberpogrome 1938 – bezogen auf die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 auch Reichskristallnacht oder Kristallnacht, Jahrzehnte später Reichspogromnacht genannt – waren vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen gegen Juden im Deutschen Reich.

Wer ist am 9.11 geboren? ›

Geburtstage » 9. November
NameLandAlter
Maxim AlekseevDeutschland28
AlfaiaPortugal58
Kian AlmakDeutschland19
Mohamed AlouiTunesien27
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Was geschah am 9 November 2001? ›

11.09. Ein beispielloser Terrorakt erschüttert die Welt: Um 08.45 Uhr rast ein Flugzeug in einen Turm des World Trade Centers in New York. Um 09.03 Uhr fliegt eine zweite Maschine in den 411 Meter hohen Zwillingsturm. Beide Türme brechen zusammen.

Wann ist der 9 November 2024? ›

Auf dieser Seite werden alle Ereignisse für Samstag, den 09.11.2024 aufgeführt. Der Tag liegt in der 45. Kalenderwoche und ist der 314. Tag im Jahr 2024.

Was geschah am 09? ›

2009
Das Historische Archiv der Stadt Köln stürzt wegen eines U-Bahn-Baus ein.Bei der Bundestagswahl am 27. September erreichten die Unionsparteien und die FDP zusammen die notwendige Mehrheit für die von beiden Seiten angestrebte Bildung einer schwarz-gelben Koalition.
Die Schweinegrippe wird zur Pandemie erklärt.
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Für was steht der November? ›

Der November gilt als dunkler Monat, für Christinnen und Christen ist es der Monat des stillen Gedenkens. Die Katholiken feiern Allerheiligen und Allerseelen, während Protestanten den Totensonntag begehen. Doch mit dem Martinstag und dem ersten Adventssonntag kommt auch das Licht zurück.

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