9. November: Ein deutscher Schicksalstag | BR.de (2024)

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Zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist der 9. November 1918, immerhin der Geburtstag der Weimarer Republik, der ersten deutschen Demokratie. Wer ihre Geschichte vom Ende her betrachtet, kann sich einer großen Tragik nicht erwehren: Denn der Untergang Weimars ging einher mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten. Deren Schreckensherrschaft manifestierte sich unter anderem im 9. November 1938, als in Deutschland die Synagogen brannten. Aber auch der Widerstand gegen die Nazis ist eng verbunden mit diesem Datum. Am Vorabend des 9. November 1939 explodierte Georg Elsers Bombe, die Hitler treffen sollte. Dass 1989 mit der Mauer die zweite Diktatur auf deutschem Boden zusammenbrach, ist für uns ein Grund zur Freude. Aber der 9. November ist eben auch ein Tag, der nachdenklich machen sollte.

9. November 1918 - Novemberrevolution

zum Artikel November 1918Die unblutige Revolution

60.000 Menschen versammelten sich am 7. November 1918 auf der Theresienwiese. Aus der Großdemo wurde die bayerische Novemberrevolution. Kurt Eisner rief noch in derselben Nacht den Freistaat Bayern aus und setzte die Wittelsbacher ab - alles ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.[mehr - Themen | zum Artikel: November 1918 - Die unblutige Revolution ]

"Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen! Es lebe das Neue! Es lebe die deutsche Republik!" Das Pathos der Worte, mit denen der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November 1918 die Republik ausrief, verfehlte die Stimmung der unter dem Balkon des Reichtags versammelten Menge nicht. Eine nach den Schrecken des I. Weltkriegs traumatisierte Bevölkerung wollte den Neuanfang. An diesem 9. November war Scheidemann dem Kommunisten Karl Liebknecht zuvorgekommen, der mit der Ausrufung der "sozialistischen Republik" den Aufruf zur Weltrevolution verknüpfte. Noch heute verzeiht es die extremere Linke der SPD nicht, dass mit der Weimarer Republik eine Demokratie entstand - das Verdikt "verratene Revolution" ist Ausdruck dieses Hasses. Die neue Staatsform hatte damals die Vernunft geboten. Eine Herzensangelegenheit war Weimar - darüber sind sich die Historiker einig - für die meisten Deutschen nicht.

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Philipp Scheidemann spricht aus einem Fenster der Reichskanzlei

9. November 1923 - Hitlerputsch

zum Thema HitlerputschDer blutige Marsch der Nazis in München

20 Tote - das war die traurige Blianz von Hitlers Putschversuch in der Nacht von 8. auf 9. November 1923. Auf der Straße erlebte er eine Niederlage. Vor Gericht landete er einen Propagandasieg sonder gleichen.[mehr - Themen | zum Thema: Hitlerputsch - Der blutige Marsch der Nazis in München ]

Die Kommunisten waren nicht die einzigen, die die Weimarer Republik bis aufs Messer bekämpften. Mit ihren ideologischen Gegnern, den Nationalsozialisten wussten sie sich in ihrem Ziel einig: die Beseitigung des freiheitlichen Systems. Am 8. und 9. November 1923 unternahm Adolf Hitler, der radikale Führer der Nationalsozialisten, den Versuch, die Reichsregierung zu stürzen. Doch sein "Marsch auf Berlin" endete an der Münchner Feldherrnhalle - gestoppt von der bayerischen Polizei. Hitlers Partei, die NSDAP, wurde daraufhin verboten. Zehn Jahre später schaffte er es auf legalem Wege an die Macht zu gelangen. Der 9. November wurde zu einem Gedenktag der Nationalsozialisten. Im Münchner Bürgerbräukeller sprach Hitler alljährlich am Vorabend vor den "alten Kämpfern" - 1939 wurde ihm das beinahe zum Verhängnis. Die Bombe, die der Widerstandskämpfer Georg Elser in der Bierschwemme deponiert hatte, explodierte zwar planmäßig. Doch Hitler hatte an dem Abend den Saal früher als sonst verlassen.

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Bayerische Kampfverbände der Truppe "Hitler" im November 1923

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9. November 1938 - Reichspogromnacht

zum Artikel Novemberpogrome 1938Generalprobe für die Vernichtung

Während der Pogrome in der Nacht von 9. auf 10. November 1938 wurden Tausende Geschäfte zerstört sowie viele Juden ins KZ verschleppt und ermordet. Öffentliches Leben wurde für Juden unmöglich. Die Pogrome - eine Vorstufe zum Holocaust. Von Ernst Eisenbichler[mehr - zum Artikel: Novemberpogrome 1938 - Generalprobe für die Vernichtung ]

Als am 9. November 1938 die Synagogen brannten, zeigte das nationalsozialistische Regime, dass es willens war, seinen Antisemitismus in die Tat umzusetzen. Aus Schikane gegenüber Juden wurde Verfolgung, aus Vertreibung wurde Vernichtung. "Reichskristallnacht" nannten die Nazis die Gewaltexzesse. Aber auch der heutzutage benutzte Begriff "Pogromnacht" trifft den Sachverhalt nicht. Der 9. November 1938 markierte keinen Volksaufstand. Die Ermordung des Diplomaten Ernst Eduard von Rath durch den Juden Herschel Grynszpan am 7. November bot den Nazis einen wohlfeilen Anlass. Propagandaminister Goebbels initiierte die Aktion mit einer hasserfüllten Rede im Münchner Rathaus, die subalternen Nazi-Funktionäre überall im Reich verstanden seinen Wink sofort, und die SA-Schläger standen schon parat. Sie organisierten, was nach außen hin aussehen sollte wie ein spontan entfachter Volkszorn.

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Die Synagoge von Siegen brennt in der "Kristallnacht"

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9. November 1989 - Mauerfall

zum Artikel 9. November 1989Als die Mauer fiel

In den Abendstunden des 9. November 1989 spielte sich eine der schnellsten und unblutigsten Revolutionen der Geschichte ab. Die Grenztore der Berliner Mauer öffneten sich unverhofft. Tausende DDR-Bürger strömten nach Westberlin - niemand hielt sie mehr auf.[mehr - zum Artikel: 9. November 1989 - Als die Mauer fiel ]

Sprichwörtlich verzettelt hatte sich Günter Schabowski am 9. November 1989. Sonst wäre die Berliner Mauer, das Symbol der Ost-West-Konfrontation, an einem anderen Tag zusammengebrochen. "Ab sofort, unverzüglich", antwortete der SED-Funktionär auf die Frage eines Journalisten, wann denn die neuen Reiseregelungen in Kraft träten. Das stand so nicht auf dem Papier des Politbüros, aus dem Schabowski zuvor zitiert hatte. Die DDR-Bürger ließen sich das nicht zweimal sagen. Sie stürmten zu den Übergängen und in den Westen. Niemand hielt sie mehr auf. Der Zweck der Mauer, die die DDR-Machthaber zynisch "antifaschistischer Schutzwall" genannt hatten, war hinfällig: die Verhinderung der Flucht aus der Diktatur. Für viele, die es dennoch versuchten, endete diese Flucht mit dem Tod. Kein Jahr später war die DDR Geschichte, Deutschland wiedervereinigt.

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Menschen stehen auf der Berliner Mauer

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Der 9. November - ein deutscher Gedenktag

Grund genug zur Freude, Grund genug zur Trauer. Der 9. November - ein Tag, an dem sich die Abgründe und die Glanzpunkte der deutschen Geschichte vereinen. Der Jahrestag der Novemberrevolution 1918 war im bundesdeutschen Gedenkkalendarium von vornherein ins Hintertreffen geraten. Statt dem Beginn hat sich das Ende der ersten deutschen Demokratie, der 30. Januar 1933, weitaus stärker ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Die Mahnung "Nie wieder!" wird vor allem mit Blick auf den 9. November 1938 zu Gehör gebracht. Alle vier 9. November rufen uns den Gegensatz von Demokratie und Diktatur ins Gedächtnis.

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FAQs

Why is November 9th important in Germany? ›

November 9th is not a public holiday, but a day of remembrance and commemoration. Commemorative events each year focus on the pogrom perpetrated against German Jews on 9 November 1938. But it is also on this day that Germany remembers the fall of the Berlin Wall in 1989, which paved the way for German reunification.

What happened on the 9th of November? ›

This Day in History: November 9

Long a symbol of the Cold War, the Berlin Wall, erected in 1961 and eventually extending 28 miles (45 km) to divide the western and eastern sectors of Berlin, was opened by the East German government on this day in 1989.

What happened on 9th November 1918? ›

9 November 1918: During the November Revolution, in view of the imminent defeat of the German Empire in World War I Chancellor Max von Baden announced the abdication of Wilhelm II before the Emperor had in fact abdicated, and handed the chancellorship to Friedrich Ebert (SPD).

What happened on November 9th, 1939? ›

On the night of November 9, Nazi leaders ordered members of the Nazi Party's paramilitaries (the SS, the SA, and the Hitler Youth) to attack Jewish communities. In the hours and days that followed, organized groups of Nazis wreaked havoc on Jewish life in Nazi Germany.

Why is November 9th special? ›

Declared by then US President George W. Bush, World Freedom Day was created to commemorate the fall of the Berlin Wall on November 9, 1989. It also coincides with what some people refer to as Freedom Week (overlapping with American holiday, Veteran's Day) in honor of the “victory over communism”.

What do the Germans do on Remembrance day? ›

Every year on the second Sunday in November, Germany observes the National Day of Mourning (Volkstrauertag). Various commemorative events take place in cemeteries or places of remembrance as well as church services throughout Germany.

What is the main idea of November 9? ›

Book Review: 'November 9' details challenging relationships, self-confidence and destiny. Colleen Hoover's novel, “November 9,” originally published Nov. 10, 2015, follows writer Ben and aspiring actor Fallon as they experience trials together and develop an unusual romantic relationship.

What is November 9th based on? ›

November 9 is a novel by bestselling author Colleen Hoover. Published in 2015 by Atria, this novel follows the unusual love story between Fallon O'Neil and Ben Kessler.

Why is November 9 a holiday? ›

World Freedom Day is a United States federal observance declared by then-President George W. Bush to commemorate the fall of the Berlin Wall and the end of communist rule in Central and Eastern Europe. It started in 2001 and is celebrated on November 9.

Who was born on 9th November? ›

Famous November 9th birthdays include Hedy Lamarr and Carl Sagan. Today is Go to an Art Museum Day.

How much did Germany have to pay in reparations? ›

Despite this, by 1928 Germany called for a new payment plan, resulting in the Young Plan that established the German reparation requirements at 112 billion marks (US$26.3 billion) and created a schedule of payments that would see Germany complete payments by 1988.

What day did WWII end? ›

On the morning of Sept. 2, 1945, Japanese representatives signed the surrender document during a ceremony on the deck of the battleship USS Missouri. This day marked the end of World War II.

What happened on November 9 1940? ›

80 Years Ago—Nov. 9, 1940: Former British Prime Minister Neville Chamberlain dies of cancer, age 71. Germans start expelling 180,000 French from Alsace-Lorraine in violation of the armistice with France.

What is 9 November? ›

Iqbal day is organized and celebrated on 9 November every year in all the provinces as a tribute to Allama Muhammad Iqbal, the "Poet of the East". Iqbal was born on 9 November 1877 in Sialkot, within the Punjab Province of British India (now in Pakistan).

What happened on November 9 1942? ›

80 Years Ago—Nov. 9, 1942: German planes transport troops to El Aouina Airfield in (Vichy) French Tunisia to combat Allied landings in Algeria. Germans force Danish King Christian X to appoint collaborator Erik Scavenius as prime minister.

Why do they celebrate German Unity Day? ›

October 3rd is the Day of German Unity and a nationwide public holiday. It commemorates the German reunification, the day when the former German Democratic Republic officially joined the Federal Republic of Germany.

What do Germans celebrate in November? ›

Martin's Day (Martinstag) on November 12th is traditionally a religious observance in Germany that is particularly popular with children. It is dedicated to St. Martin of Tours and celebrates modesty and altruism - both values commonly associated with the Saint.

Why was November 9 not chosen as the official date for the Day of German Unity? ›

However, 9 November was also the anniversary of the first large-scale Nazi-led pogroms against Jews in 1938 (Kristallnacht), so the day was considered racist as a national holiday (see 9 November in German history). Therefore, 3 October 1990, the day of the formal reunification, was chosen instead.

What happened in November in Germany? ›

By late 1918, many German citizens were fed up with the war. There were major food shortages, and protests and rallies throughout the country.

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Author: Amb. Frankie Simonis

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Name: Amb. Frankie Simonis

Birthday: 1998-02-19

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